Mit der vom NS-Regime vermeintlich Mitte der 1930er Jahre hergestellten Machtsicherung im Innern, beschritt die Führungsspitze von SS und Sicherheitsdienst Wege, sich nunmehr Möglichkeiten zur Wahrnehmung polizeilicher Aktivitäten und der Informationsbeschaffung auch außerhalb Deutschlands zu verschaffen. Die dabei verfolgten Ausgangspunkte betrafen vor allem, sich der 1923 geschaffenen Internationalen Kriminalpolizeilichen Kommission (IKPK) zu bedienen und eigene Attachés an den deutschen diplomatischen Vertretungen im Ausland zu platzieren. Das dafür eingesetzte Personal waren ausgewählte Polizeibeamte und Nachrichtenoffiziere, die dem Sicherheitsdienst angehörten und deren Handeln von der nationalsozialistischen Weltanschauung geprägt war. Anders als beim sonstigen diplomatischen Personal waren es ausnahmslos Mitglieder der NSDAP und bis auf einen Polizeioffizier, Mitglieder der SS. Auch wenn in den 1942 unterzeichneten Grundsätzen für das Handeln der polizeilichen Sonderbeauftragten die strikte Nichteinmischung in die deutsche Außenpolitik und in die inneren Belange des Gastlandes festgeschrieben waren, haben die entsandten Einsatzkräfte dieses Prinzip in der Praxis genauso missachtet, wie die Vorgesetztenrolle des diplomatischen Geschäftsträgers vor Ort. Alleinig der Reichsführer-SS war ihr Vorgesetzter. So war es von Beginn an bestimmt.
Einer der entscheidendsten Akteure, die mit besonderem Nachdruck den Aufbau dieser Institution vorangetrieben haben, war der Chef des Reichssicherheitshauptamtes, Reinhard Heydrich (1904-1942), der aber weder ihren Höhepunkt noch Zerfall erleben konnte. Zusammen mit seiner Biografie stellt die Publikation 80 Lebensbilder von Polizeiverbindungsführern, Polizeiattachés, SD-Nachrichtentenoffizieren, Gehilfen der Attachés und ausgewählte Beteiligte an dieser speziellen Attachétätigkeit in den Mittelpunkt. Unter ihnen befinden sich Kriminalist Paul Winzer (*1908), der als erster offizieller Akteure in Spanien tätig wurde, Josef Meisinger (1899-1947) der in Japan in besonderer Weise um die „Eigenerzeugung“ von Beweisen bemüht war, bis zum SD-Offizier Walter Mosig (*1907), der in der Türkei mit der Beschaffung wichtiger strategischer Informationen sein Amt wahrnahm. Aber auch Gehilfen wie Polizeioberinspektor Georg Vey (*1912), der auch nach dem Mai 1945 im Ausland aktiv blieb, oder der aus dem Reichssicherheitshauptamt abkommandierte Regierungsrat Friedrich Boßhammer (1906-1972), der für „Judendeportationen“ zuständig zeichnete, bis zu Johannes Clemens (1902-1976), der in Italien unter dem Kommando des dortigen Polizeiattachés an der Erschießung von Geiseln beteiligt war. Die Mehrzahl der Einsatzkräfte nahm eine Schlüsselrolle bei dem vom NS-Staat betriebenen Holocaust ein.
WeiterlesenMit den vorliegenden Einzeldarstellungen werden zahlreiche Lücken im Wirken dieser sehr speziellen Institution, ihrer personellen Zusammensetzung geschlossen, aber auch ihre funktionelle Bindung an den Sicherheitsdienst und das Reichssicherheitshauptamtes in ein neues Licht gerückt. In besonderer Weise wird dabei die Rolle des außerhalb des „Dritten Reiches“ agierenden Personals bei der Umsetzung einer nationalsozialistisch geprägten Außenpolitik und der vom Regime verfolgten Rasseziele mit breit gefächerter Auftragsstruktur sichtbar. Ein kurzer historischer Abriss der institutionellen Entwicklung zu Beginn, den Biografien vorgeschaltet, soll helfen die Zielstellung, die Wechselbeziehungen, die personelle Herkunft der Akteure und ihre weltanschauliche Ausrichtung zu erhellen. Dem schließen sich sowohl eine Länderübersicht mit den jeweils dort eingesetzten Attachékräften sowie eine Dokumentation der wichtigsten Richtlinien und Verhaltensnormen, wie sie für die Institution festgelegt waren, an.