Dr. Walter Riccius

Die Institution der Luftattachés

Deutsche Luftattachés von Beginn bis 1945

A5 Softcover: 494 Seiten Erscheinungsjahr: 2024 ISBN: 9783968310619
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Den Wunsch auch über eigene Luftattachés an den ausländischen Missionen zu verfügen, wie sie von anderen europäischen Ländern kurz nach dem Ersten Weltkrieg bereits selbst in Deutschland installiert worden waren, zur Tatsache werden zu lassen gestaltete sich außerordentlich schwierig. Hauptsächlich getragen durch Befürchtungen, von der international begonnenen technischen Entwicklung in der Luftfahrt abgekoppelt zu werden und der Gefahr ausgesetzt zu sein, nicht über gleichwertige Informationen auf diesem innovativen Sektor wie die anderen technisch fortgeschrittenen Nationen, zu verfügen trieb die Akteure an, Lösungen zu finden. Oder auch auf Umwegen dieses Ziel zu erreichen. Als außerordentliche Hemmfaktoren erwiesen sich dabei für Deutschland die Bestimmungen des Versailler Vertrages, als Verursacher des kurz vorher zu Ende gegangenen Krieges, auf Jahre über keine militärische Luftflotte verfügen zu können. Genauso auch sich jeglicher Forschung, Entwicklung, selbst der Ausbildung von Luftpersonal in diesem Bereich enthalten zu müssen. In den Jahren der Weimarer Republik war es jedoch auch das Auswärtige Amt, dass sich dagegenstellte, diesem damals vordergründig militärisch bestimmten Ziel, Unterstützung zu geben.

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Einer der Akteure die besonders nachdrücklich den Aufbau einer Institution der Luftattachés verfolgten, aber dann ihr tatsächliches Wirken nur noch als Ausgegrenzter erleben konnte, war Wilhelm Groener (1867-1939). Als Reichsverkehrsminister in den Anfangsjahren der Weimarer Zeit, späterer Reichswehr- und Innenminister, verfolgte er dieses Ziel mit besonderer Vehemenz. In voller Absicht, eingedenk der möglichen internationalen Konsequenzen hatte er, zu einer Zeit in der es keine Luftwaffe gab, den Namen die zu bildenden Organisationsform bei „Luftattaché“ belassen. An seiner Seite hatte er den, in den Folgejahren selbst als ein solcher spezieller „Attaché“ in den USA und Mexiko tätig gewordenen Friedrich von Boetticher (1881-1967). Aber bis heute liegt die 1929 in ersten Schritten Praxis gewordene Institution der Luftattachés und die hier handelnden Personen weitestgehend im Dunklen. Zwar sind gesetzte Rahmenbedingungen im Ansatz bekannt. Aber in nur geringem Maße verfügen wir über Kenntnisse zur Herkunft, Motivation, Interessenslage und die sozialen Bindungen der Akteure. Zum Teil ist das der Vernichtung von Dokumenten durch Kriegsfolgen zuzuordnen. Aber genauso lag in der Natur der Sache, Aufzeichnungen dieser Institution bewusst der Öffentlichkeit vorzuenthalten oder gar bewusst verschwinden zu lassen. Die Publikation stellt die Biografien von 95 Personen, die selbst als Luftattaché, Gehilfen des Attachés, oder als Organisatoren der Attachéarbeit tätig geworden sind in den Mittelpunkt. Unter ihnen befinden sich Heinrich Aschenbrenner, der in der Sowjetunion agierte, Eugen Ott der in Japan eine Entwicklung vom Berater über den Attaché bis zum Botschafter nahm, Leo von Schweppenburg, der in England, Belgien und den Niederlanden sein Amt ausübte. Aber auch die Gehilfen Peter Riedel, der in den USA vom Informanten zum Gehilfen aufstieg und Jens-Peter Petersen, der in Dänemark als Gehilfe begann, der dänischen Regierung 1940 die deutsche Aufforderung zur Kapitulation mit übergab und dann als Attaché wirkte, sind benannt. Dabei ist die Liste der Luftattachés fast vollständig biografisch bearbeitet. Sichtbar werden auch Jene, die als Persona non grata das Gastland verlassen mussten. Zu den in Entscheidungsbereichen Wirkenden zählen Curt Liebmann, als Leiter des Bereiches Fremde Heere im Reichswehrministerium, Rudolf Wodarg in seiner Position zwischen Generalstab der Luftwaffe und dem Reichpropagandaministerium, genauso wie Alfred Gerstenberg, der die Zusammenarbeit zwischen Roter Armee und Reichswehr mit geprägt hat und dann als Luftattaché in Polen an der Vorbereitung des Zweiten Weltkrieges beteiligt war. Vorgestellt werden aber auch Wolfgang Muff, der in seinem Amt als Attaché die deutsche Okkupation Österreichs 1938 vorangetrieben hat und Wolfgang von Richthofen, der erster Luftattaché in Italien und Entscheidungsträger des Bombenmassakers auf die spanische Stadt Guernica in einer Person war.
Mit diesen Einzeldarstellungen werden zahlreiche Lücken im Wirken der Institution geschlossen, aber auch ihr Platz innerhalb der Luftwaffe in ein neues Licht gerückt. In besonderer Weise wird dabei die Rolle objektiver Berichterstattung, die daraus abgeleitete reale Lagebeurteilung und Akzeptanz der damit gewonnen Ergebnisse in den politischen und militärischen Führungsbereichen verdeutlicht. Die Persönlichkeitsbilder werden durch eine Liste aller Einsatzländer und der hier tätig gewordenen Personen ergänzt. Ein kurzer Abriss der historischen Entwicklung der Institution zu Beginn und den Biografien vorgeschaltet, soll helfen die Zielstellung, die Wechselbeziehungen und die personelle Herkunft der Akteure zu erhellen. Von Neuwert dürfte hier sein, aus welchen gesellschaftlichen Kreisen sich das Personal rekrutierte, wie sich diese Herkunft mit dem Nimbus einer besonderen Gruppe anzugehören verband und sich letztendlich an den unterschiedlichen machtpolitischen Konstellationen der Zeit gebrochen hat.